16. Jul 2023,
Kuriositäten rund um die Führung der begehrten zwei Buchstaben und die schmückenden Herkunftsangaben in Deutschland
Der Doktortitel ist in Deutschland seit jeher ein Karrierebooster. Und das bleibt auch so, trotz der uneinheitlichen Qualität der hiesigen Betreuungs- und Prüfungsverfahren und trotz der – zumindest nach internationalen Maßstäben – mangelnden Qualitätssicherung.
Dabei ist die gelungene Durchführung einer echten Forschungsarbeit für den Promovierten durchaus eine beglückende Erfahrung.
Doch die „Führbarkeit“ des begehrten „Titels“ macht manchem zunehmend Sorge, zumal wenn man glaubt, der Dr. sei in Deutschland ein Namensbestandteil. Und dann womöglich auch noch Herkunftsangaben anhängen müssen...?
Es wird Zeit, einmal über den typisch deutschen Doktorkult und über die Abwehrmechanismen gegen möglicherweise bessere Abschlüsse und Ergebnisse aus dem Ausland zu schmunzeln.
2024: Damit ist nun Schluss: Seit 2. Mai 2024 gibt es keine Eintragungen in der Namenszeile der Ausweise mehr. Denn „Dr.“ ist halt kein Namensbestandteil und er war es auch noch nie.
Datum verschwindet er in einem anderen Feld gemeinsam mit eventuellen Künstler- und Ordensnamen:
Der Bundesrat hat am 22. März 2024 der Verordnung zugestimmt, sie ist nun in Kraft.
Hiermit wird auch von Amts wegen visuell deutlich gemacht, dass der akademische Abschlussgrad kein Namensbestandteil ist.
Nach meiner Promotion im Jahr 1999 in den Niederlanden hatte ich mir, den deutschen Gepflogenheiten entsprechend und mit Blick auf eine neue berufliche Zukunft in der Wissenschaft, die beiden Buchstaben Dr. in Personalausweis, Reisepass und Führerschein eintragen lassen – sie liefen ohnehin bald ab.
Wie üblich war die Urkunde in lateinischer Sprache ausgestellt – heute ist Englisch die Wissenschaftssprache und international werden solche Urkunden inzwischen in englischer Form ausgestellt, ebenso wie seit zwanzig Jahren das Diploma Supplement, das allen Bachelor- und Masterzeugnissen in der EU, also auch in Deutschland, nur in englischer Sprache beigefügt wird.
Für das Einwohnermeldeamt in meiner Heimatstadt Münster war die lateinische Urkunde damals übrigens kein Problem – man kannte das schon.
Heute dagegen werden in einigen Bundesländern für die Eintragung des Namenszusatzes sogar beglaubigte deutsche Übersetzungen verlangt, wenn die Urkunde nicht in deutscher Sprache abgefasst ist. Die Amtssprache ist eben nur Deutsch.
Schaut man sich meine Dokumente Personalausweis, Reisepass und Führerschein zusammen an, sieht man eher deutsches Durcheinander als Ordnung: Der Dr. steht im Führerschein hinter dem Namen (ohne Punkt), im Personalausweis und im Reisepass vor dem Namen (mit Punkt).
Das allein zeigt schon, dass der „Dr.“ kein Namensbestandteil sein kann, sondern nur ein Zusatz ist, denn sonst gäbe es hier ja keine unterschiedlichen Schreibweisen!
Logisch, oder?
Tatsächlich hatten sowohl der Bundesgerichtshof 1962 als auch zuvor das Bundesverwaltungsgericht 1957 entschieden, dass der Doktorgrad zwar eine akademische Bezeichnung, aber kein Namensbestandsteil ist.
Basta.
Und erst seit 1986, also viele Jahre später, konnte man sich in Deutschland nach dem Passgesetz die beiden Buchstaben in den Ausweis beim Namen eintragen lassen, nirgendwo sonst auf der Welt ist das möglich.
Manch einer konnte / durfte / musste den Dr. also doch wieder als Namensbestandteil betrachten, wie es vor den beiden grundlegenden Gerichtsurteilen von 1957 und 1962 üblich war.
Ja. Das Außergewöhnliche hierzulande geht weiter:
Wenn jemand einen Doktortitel aus einem Nicht-EU-Land oder einem anderen nicht privilegierten Land mitbringt, verlangt der deutsche Gesetzgeber zwangsweise für die in Deutschland Wohnenden noch etwas obendrauf: eine Herkunftsangabe, die als Abkürzung angehängt werden muss.
So drollig (oder trollig) man das auch finden mag: Es ist so.
Und so gibt es dieses beides exklusiv nur in Deutschland:
Achtung – der Zwang zum Herkunftsnachweis gilt auch für die „Führung“ von Bachelor- und Masterabschlüssen sowie von Prof.-Bezeichnungen, sobald sie aus all den vielen und spannenden Ländern außerhalb der eigenen deutschen und EU-/EWR-Welt stammen!
Auch das, Sie ahnen es schon, gibt es nur bei uns in Deutschland.
Und nein, wir Deutsche wollen natürlich niemanden ausgrenzen – und tun es dann aber doch, nämlich bei der Möglichkeit zur Eintragung in die Ausweise: Im Ausland verliehene Doktorgrade, die eine Herkunftsangabe erforderlich machen, werden nicht eingetragen.
Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich auf jeden Fall, um die Dinge einmal ganz anders zu sehen als nur aus der typisch deutschen Perspektive.
Vielleicht ergeben sich daraus neue, andere Sichtweisen:
So könnte zum Beispiel ein bewusst internationales Portfolio entstehen:
B.A. in Integrated Studies (FGCU), MBA (MUL), PhD (GHU)
Statt der Kürzel der Universitätsnamen können Sie auch Länderkürzel verwenden:
B.A. in Integrated Studies (USA), MBA (UK), PhD (AI)
Kein Grund zur Sorge also! Wer in Deutschland lebt, kann sich bei seinem internationalen wissenschaftlichen Lebenslauf über so manchen hübschen Zusatz freuen, den man in keinem Kreuzworträtsel findet…
Aber bevor Sie jetzt übermütig werden und auf kreative Ideen kommen, die Ihnen schaden könnten: Es ist ausdrücklich nicht erlaubt, inländische Abschlüsse mit einem Herkunftszusatz zu veredeln!
B.A. (RFH), M.Sc. (FOM) und Dr. (UzK) sind also nicht möglich. Auch die Konstrukte B.A. (D), M.Sc. (D) und Dr. (D) sind nicht möglich.
Schade eigentlich...
Haben Sie bereits Abschlüsse im bevorzugten Ausland (EU, EWR etc.) erlangt, können Sie die Herkunftszusätze weglassen. Können heißt aber nicht müssen… 😉 Nachstehend sehen Sie’s spaßeshalber an meinem in den Niederlanden erlangten Doktorgrad. 😀
Ich nehme mir nun diese Freiheit und mache es so!
Viel Freude und beste Erfolge beim Arbeiten an Ihrem eigenen internationalen akademischen Portfolio,
Ihr
Prof. (GHU)* Dr. (KUN) Martin Gertler
bzw. Prof. (AI)* Dr. (NL) Martin Gertler
* es gibt außerdem zwei solche Ernennungen aus Deutschland, diese sind aber nicht mit Herkunftsangaben zu versehen