War Ihre Masterthesis eine Forschungsleistung?

05. Nov 2023,

Eine kritische Spurensuche

Wenn Sie berufsbegleitend promovieren wollen, sollten Sie bereits einen Studienabschluss auf Masterniveau erlangt haben. Damit wäre dasDQR Niveau 7 immerhin schon erarbeitet. Er entspricht dem Niveau, das EU-weit gilt.

Hand aufs Herz: Wie methodisch hinreichend konnten Sie sich mit Ihrer Masterthesis bereits für Ihr eigenes Forschungsvorhaben vorbereiten...?

Spurensuche
Spurensuche

Master ist ja nicht gleich Master.

Schauen wir zu dieser gewagten These zunächst in einige Masterprüfungsordnungen hinein. Was wird darin von einer Masterthesis erwartet?

Ist da tatsächlich Forschung zu leisten?

1. Uni Stuttgart

Aus § 21 – Zweck der Masterprüfung:

„Mit der Masterprüfung weisen die Studierenden nach, dass sie über das Ziel ihres Bachelorstudiengangs hinaus die Fähigkeit erworben haben, wissenschaftliche Fragestellungen aus ihrem Masterfach mit den einschlägigen Methoden selbständig zu bearbeiten.“ (Quelle)

Antwort: Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es ist keine klare Erwartung erkennbar. Kein klarer Auftrag zum eigenständigen Forschen.

2. RFH Köln

Aus § 18 – Abschlussarbeit:

„Die Abschlussarbeit ist eine eigenständige Untersuchung mit einer Aufgabenstellung aus dem jeweiligen Fachbereich. Sie beinhaltet eine ausführliche Beschreibung und Erläuterung der gefundenen Lösung.“ (keine öffentliche Quelle)

Antwort: Ein klarer Auftrag zum eigenständigen Forschen ist damit erteilt!

3. HNE Eberswalde

Aus Modul 8 – Masterarbeit:

„Die schriftliche Ausarbeitung des Themas erfolgt in wissenschaftlicher Form unter Bezug auf Theorien, wissenschaftliche Konzepte, Fachliteratur, empirische Daten, wissenschaftliche Methoden.“ (Quelle)

Antwort: Ein Thema ist auszuarbeiten, wissenschaftliche Form, Bezugnahmen sind angedeutet. Kein klarer Auftrag zum eigenständigen Forschen.

4. VU Amsterdam

Aus Artikel 2 – Ziel und Verantwortlichkeiten:

„1. Das Ziel der Masterarbeit ist es, eine individuelle Prüfung der wissenschaftlichen Kompetenz im Programm abzulegen. Dazu gehört die eigenständige Entwicklung einer Fragestellung und eines Forschungsdesigns, die Durchführung der Forschung, die Analyse der Daten, die Integration der Ergebnisse, die Beschreibung der Implikationen für Theorie und Praxis, die Reflexion über die Rolle des Forschers, die Beschreibung der Grenzen der Forschung und selbständig über die Forschung zu berichten.“ (Quelle)

Antwort: Zehn messbare Kriterien für eine eigenständige Forschungsarbeit auf kleinstem Raum. Diese Vorgabe ist ein glasklarer Auftrag zum eigenständigen Forschen!

Ja, Master ist eben nicht gleich Master.

Es ist schwer vorstellbar, dass dies alles unter den EQF-Level 7 fallen kann. Bei den einen kann man deskriptiv etwas zusammenstellen, bei anderen geht's ans eigenständige Untersuchen...

Mich überzeugt die Prüfungsordnung aus Amsterdam am meisten, denn dieser Kriterienkatalog ist klar und dabei überhaupt kein Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehre. An unseren deutschen Hochschulen verbleibt hingegen so vieles so gern im Ungefähren.

Und was erwartet der Wissenschaftsrat?

Das höchste Beratungsgremium der deutschen Hochschul- und Forschungswelt meldet sich regelmäßig mit Empfehlungen zu Wort und stellt seine Positionen klar. Bei seinen strukturierten Verfahren der institutionellen Akkreditierung erwartet es, dass auch nichtstaatliche Hochschulen Forschung betreiben. Letztlich stehen Forschung und Lehre aber hier stets nur nebeneinander, in eben dieser Kombination der beiden Wörter, verbunden nur mit dem Wörtchen „und“.

Ein aktuelles Positionspapier legt nun offen, wie viel eigenständige Forschungsleistung der Wissenschaftsrat (WR) im Verlaufe der Studiengänge, also im Feld der Lehre, erwartet:

Wissenschaftsrat 2023, aus „Ausgestaltung der Promotion im deutschen Wissenschaftssystem“

Über das Verständnis der Promotion als Forschungsphase und der schriftlichen Dissertation als erste eigenständige Forschungsleistung besteht in Deutschland Konsens.(Quelle, S. 7)

Als ich das las, stockte mir kurz der Atem. Also: der WR erwartet vorher nichts dergleichen? Keine eigenständige Forschungsleistung in mindestens fünf Studienjahren bis zum Master? Und Bachelor und Master sollten doch bereits wissenschaftliche (!) Abschlüsse sein...?

Damit wäre meine eingangs gestellte Frage ja nun beantwortet.

Selbst eine Masterthesis ist also eigentlich noch keine eigenständige Forschungsleistung in Deutschland. Darüber bestünde gemäß Wissenschaftsrat hierzulande „Konsens“.

Ich kenne das auch anders: siehe obige Beispiele 2 (Deutschland) und 4 (Niederlande).

Aber nun ist es amtlich: die Diss wird Ihre allererste eigenständige Forschungsleistung sein. In Deutschland zumindest.

Wie, bitteschön, sollen Sie denn dann überhaupt hinreichend vorbereitet Ihre Dissertation anpacken können...?

Wenn Sie auch besser vorbereitet Ihren Promotionsweg einschlagen möchten,

  • kann ich Ihnen ein maßgeschneidertes Proseminar anbieten und bei Bedarf auch Begleitung bei einer ersten eigenständigen Forschungsarbeit, einfach zu Ihrem Training.
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