Führbar ohne Anerkennung!

21. Okt 2024,

Fragen und Antworten zur Verwendbarkeit von Doktortiteln aus dem Ausland in Deutschland

Konkret geht es hier um die „Führbarkeit“ der Doktorgrade, die in dieser Website erwähnt werden.

Die Führbarkeit ist ohne weitere Anerkennung durch eine deutsche Stelle gegeben, da 1. diese Universitäten alle Anforderungen des deutschen Gesetzgebers an die Führbarkeit ihrer Abschlüsse erfüllen – Grad ordnungsgemäß von einer Hochschule nach wissenschaftlicher Prüfung verliehen, Hochschule im Sitzland staatlich anerkannt bzw. nach den dort geltenden Verfahren akkreditiert – und 2. es in Deutschland keine „Anerkennung“ oder Prüfung ausländischer Doktorgrade durch Kultusministerien oder andere dazu vorgesehene Stellen gibt.

Mehr wäre dazu eigentlich nicht zu sagen...

Außer ein paar Argumente sowie ein Blick in die Quellen und Hintergründe. Daher:

Willkommen zu diesem Beitrag!

Frisch promoviert...
Frisch promoviert...

Die Prämissen stehen fest: „Voraussetzung für die Führung eines ausländischen Hochschul- oder staatlichen Grades ist, dass der Grad ordnungsgemäß durch eine Hochschule bzw. durch eine hierzu berechtigte staatliche Stelle verliehen wurde.

Außerdem muss die Hochschule in dem betreffenden Land staatlich anerkannt oder nach den dort geltenden Akkreditierungsverfahren akkreditiert sein.

Abgesehen von Ehrengraden muss der Grad aufgrund eines tatsächlich absolvierten und ordnungsgemäß durch Prüfung abgeschlossenen Hochschulstudiums erworben sein. Quelle: KMK ZAB

Anerkennung und Führbarkeit

Immer wieder kommt die Frage nach der Anerkennung eines im Ausland erworbenen Doktorgrades auf. Was ist überhaupt damit gemeint und wer ist für eine Anerkennung zuständig?

Die Anerkennung ausländischer Hochschulabschlüsse umfasst laut Kultusministerkonferenz (KMK) die Zugangsregelungen, die Anrechnungen und die (uns hier interessierende) Führung ausländischer Hochschulgrade.

In den Regelungen aller deutschen Bundesländer wird ähnlich wie in NRW klargestellt: „...akademische Anerkennung [...] heißt Führbarkeit des verliehenen akademischen Grades“.

Es handelt sich also bei den Begriffen Anerkennung und Führbarkeit nicht um zwei unterschiedliche und nur bedingt aufeinander folgende Sachverhalte, sondern um einen übereinstimmenden Sachverhalt.

Weiter ebenda: „Das Zustimmungsverfahren zum Führen im Ausland erlangter akademischer Grade, Hochschultitel und -tätigkeitsbezeichnungen ist seit dem 1. Januar 2005 weggefallen. Somit trifft das Ministerium für Kultur und Wissenschaft keine Einzelfallentscheidungen mehr – weder mündlich noch schriftlich. Die Inhaberin oder der Inhaber eines Grades muss selbst entscheiden und dies in jeder Hinsicht verantworten, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Führung eines Grades in der von der Inhaberin/dem Inhaber des Grades gewünschten Form erfüllt sind.“

Wieviel Creditpoints muss das Doktoratsprogramm vergeben?

Es wird oft behauptet, dass ein Doktoratsprogramm „180 CP“ haben müsse. Diese Annahme ist irrig, denn es gibt keine entsprechende Vorgabe. 

In Deutschland und in Europa verstehen wir unter 180 Creditpoints gemäß ECTS seit der Bologna-Reform die Summe des Workloads eines Bachelorstudiums, das in Vollzeit in drei Jahren absolvierbar ist. Und dieser Maßstab gemäß European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS) gilt nur für die Studienangebote bis zum Masterabschluss. Um solche Creditpoints verleihen zu können, müssen diese Studienangebote zudem entsprechend akkreditiert worden sein.

Promotionsprogramme sind jedoch nicht in das ECTS aufgenommen worden. Das ist auch logisch, da keine Wechselmöglichkeiten an andere Universitäten im Verlauf eines Promotionsprogramms vorgesehen sind, wie das jedoch bei Bachelor- und Masterstudiengängen als Bedingung für ihre Akkreditierung vorgegeben ist. 

Hinzu kommt, dass insbes. die deutschen Promotionsprogramme gar nicht akkreditierbar wären, da sie den dazu gegebenen Standards auch hinsichtlich des Prüfungsverfahrens nicht entsprechen. Auch deshalb wären sie also nicht akkreditierbar.

Tatsächlich gibt es ausländische Doktoratsprogramme, die eine Akkreditierung erhalten haben. Diese wird dann aber nicht den ECTS-Akkreditierungsvorgaben entsprechen, denn der Bestandteil „T“ (Transfer) muss dort nicht enthalten sein. 

Erwartet wird in Deutschland mitunter, dass ein ausländisches Doktoratsprogramm eine Laufzeit von drei Jahren haben soll. Dies ist eine realistische Erwartung und schließt aber nicht aus, dass jemand auch bei einem „Fast Track“ nach kürzerer Zeit als in der Regelstudienzeit promoviert wird, wie man es ja auch bei Bachelor- und Masterstudiengängen auch in Deutschland immer wieder beobachten kann. 

Hält man sich vor Augen, dass kaum ein „Dr. med.“ in Deutschland erst nach mindestens drei Forschungsjahren verliehen wird (sondern meist nach nur wenigen Monaten), oder – selbst erlebt – dass eine Kandidatin, die bei uns in Utrecht eine noch unfertige Forschungsarbeit einreichen wollte, sodass wir noch Nacharbeiten fordern mussten, wenige Monate später für den von uns zurückgewiesenen, identischen Text an einer deutschen Exzellenz-Universität den deutschen Dr.-Titel erhielt, kann die Erwartung einer Laufzeit von drei Jahren in Deutschland nicht wirklich ernst gemeint sein. Wie könnte man von anderen (Ausland) mehr erwarten als von sich selbst...?   

Wann wäre eine „Anerkennung“ erforderlich?

Eine grundsätzliche Anerkennung per Zustimmungsverfahren o. ä. gibt es bei ausländischen Doktoratsabschlüssen nicht, das haben wir zuvor bereits beschrieben.

Mitunter kann allerdings bei niedrigeren akademischen Graden (also nicht bei Dr. / PhD!) eine Anerkennung erforderlich werden, und zwar immer dann, wenn darauf aufbauend ein weiterführendes Studium angestrebt wird.

Der Traum von einer quasi automatischen Gleichwertigkeit der Abschlüsse innerhalb des manchmal gar nicht so klar abgegrenzten EU-Raumes (auch Weißrussland hat mal unterschrieben...) endet durch diese EU-Darstellung:

Keine automatische Anerkennung – Akademische Abschlüsse werden nicht automatisch EU-weit anerkannt. Aus diesem Grund müssen Sie u. U. ein nationales Verfahren durchlaufen, um sich Ihren akademischen Grad oder Abschluss in einem anderen EU-Land anerkennen zu lassen, wenn Sie dort zu einem weiteren Studiengang zugelassen werden möchten.“

Das Ganze wird dort mit einem Fallbeispiel aus Frankreich illustriert.

Ein Anerkennungsverfahren kommt auch dann ins Spiel, wenn ein ausländischer Studienabschluss auf einen bundesgesetzlich geregelten Beruf (Arzt, Jurist, Lehrer...) vorbereiten soll, wie es hierzulande die „Staatsexamen“ tun. Dann muss man in Deutschland tatsächlich sein Mitbringsel zur Anerkennung vorlegen.

Anerkennungen sind bei einer im Ausland erlangten Promotion also tatsächlich grundsätzlich nicht einzuholen, weil sie nicht zur Vorbereitung auf ein weiterführendes Studium oder auf einen bundesrechtlich geregelten Beruf gedacht bzw. notwendig ist.

Allerdings kann eine qualitätsorientierte Prüfung der Unterlagen einer jeden (!) bereits erlangten Promotion erfolgen, sobald eine Professur in Deutschland angestrebt wird. Dies hängt damit zusammen, dass mitunter das zuständige Landesministerium bei Berufungsverfahren um Zustimmung ersucht werden muss und z. B. bei einer Beurteilung einer Dissertation nur mit „rite“ (in der deutschen Notenskala im Bereich 2,5 bis 3,3 verortet) Einspruch gegen eine Berufung und Ernennung zum Professor erheben könnte. Auch könnten Gutachter im Berufungsverfahren gebeten werden, die Qualität der vorliegenden Dissertation im Hinblick auf die Denomination (fachliche Ausrichtung) der angestrebten Professur zu beurteilen. Eine Anerkennung eines ausländischen Promotionsverfahrens ist jedoch nicht Gegenstand solcher Verfahren.

Diskriminierende Regelungen

Es geht in diesem Blogbeitrag um im Ausland erlangte Doktorgrade. Und die muss man, wie dargelegt, nirgendwo mehr anerkennen lassen, um weiter studieren zu können: Man kann sie also ohne Verfahren „führen“, siehe die obigen Zitate aus NRW.

Die Führbarkeit von ausländischen Doktorgraden ist in Deutschland im Vergleich zu den meisten Nachbarländern allerdings überreguliert: mit „begünstigenden Regelungen“, die die Führung der Doktorgrade aus bestimmten Gebieten und Ländern gegenüber anderen („Drittländer“) bevorzugend behandeln. Die dafür erfundenen und in Deutschland strafbewehrt anzugebenden Herkunftszusätze für Abschlüsse aus explizit nicht privilegierten Ländern sind sachlich unnötig - ansonsten gäbe es sie logischerweise ebenfalls in allen anderen Ländern und nicht nur bei uns.

Warum sind sie unnötig? Weil seit bereits mehr als 20 Jahren gilt: „Voraussetzung für die Führung eines ausländischen Hochschul- oder staatlichen Grades ist, dass der Grad ordnungsgemäß durch eine Hochschule bzw. durch eine hierzu berechtigte staatliche Stelle verliehen wurde. Außerdem muss die Hochschule in dem betreffenden Land staatlich anerkannt oder nach den dort geltenden Akkreditierungsverfahren akkreditiert sein.“

Siehe hierzu auch die downloadbaren „Grundsätze für die Regelung der Führung ausländischer Hochschulgrade im Sinne einer gesetzlichen Allgemeingenehmigung durch einheitliche gesetzliche Bestimmungen (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14.04.2000)“.

Mehr bräuchte es eigentlich nicht.

Warum dann dennoch solche begünstigenden Regelungen und jene merkwürdigen Herkunftszusätze...? Warum ein deutscher Sonderweg, mit dem ausländische akademische Leistungen systematisch diskriminiert werden? Welche Motive stecken hinter dieser Einteilung und Einschränkung von wissenschaftlich aktiven Menschen aufgrund des Ortes ihres erlangten Hochschulgrads?

Mein Kommentar dazu:

  • Mit den willkürlich differenzierenden und ausgrenzenden Herkunftszusätzen nach privilegierten Ländern einerseits und Drittstaaten andererseits verhält sich Deutschland gönnerhaft und willkürlich. Es drängt sich die Frage auf, welche eigenen Probleme damit eigentlich kaschiert werden sollen, wenn nicht die des hiesigen, nicht akkreditierbaren und vom Wissenschaftsrat wegen unzureichender Qualitätssicherung kritisierten deutschen Promotionssystems.
  • In diesen Zusammenhang passt der eigentümliche Kult um den Eintrag des Doktortitels in die Ausweispapiere, der ebenfalls nur hierzulande möglich ist und im Ausland belächelt wird. Möglich ist er allerdings nur dann, wenn der Doktorgrad ohne den notwendigen Herkunftszusatz geführt werden darf. Auf die Eintragung in den Personalausweis sollte man also locker verzichten können: Sie bedeutet rechtlich gesehen ohnehin nichts, da ein erlangter Doktorgrad ja nicht Namensbestandteil wird, sondern nur als führbarer Zusatz erkennbar wird. Führbar bedeutet also nicht per se eintragbar hierzulande. Was soll's, der Rest der Welt kommt schließlich auch ohne so etwas aus... Und Deutschland kommt seit 2024 endlich auch „ohne“ aus: Nun erfolgt die evtl. Eintragung eines Doktorgrades nicht mehr beim Namen, sondern im Feld für Künstlernamen und Ordensnamen (Rückseite des Personalausweises / Folgeseite beim Reisepass), siehe hier.

Fazit

Selbstverständlich kann auch ein woanders erworbener Doktorgrad in Deutschland problemlos mit dem Herkunftszusatz geführt werden und ist damit automatisch anerkannt, einfach weil diese verleihende Universität die dafür gesetzlich definierten Kriterien erfüllt: staatlich anerkannt als Universität mit Promotionsrecht sowie Abschluss aufgrund entsprechender Prüfung. 

Bei einer erlangten Akkreditierung übertrifft manches Angebot sogar den deutschen Standard, der keine externe Qualitätssicherung (also Akkreditierung) für Promotionsverfahren vorsieht.

Auch Vorgaben zu enthaltenen ECTS (etwa 180 CP gemäß ECTS für ein Doktoratsprogramm) gibt es in Deutschland nicht.

Einzelanerkennungen sind nicht erforderlich, da dieser höchste akademische Grad nicht als reguläre Vorstufe zu einem noch höheren Grad oder zur Vorbereitung auf gesetzlich geregelte Berufe genutzt werden kann.

Eine handliche Linkliste der KMK kann Sie zu den Regelungen und Lesarten Ihres jeweiligen Bundeslandes weiterleiten, siehe dort weiter unten die „Merkblätter der Bundesländer...“.

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